Die Spannung steigt, die Raumtemperatur in der Aula des Märkischen Gymnasiums erreicht karibische Temperaturen und Schüler, Freunde und Familien der jungen Künstler hält es kaum noch auf den
Stühlen: Dann endlich, nach drei Stunden Musik, verkünden die Moderatoren Lina Schäfer und Lucas Berisha die Sieger. Stilecht öffnen sie die großen Umschläge, ziehen eine Karte heraus . . . und
entscheiden so über Freude oder Enttäuschung.
Nicht nur die goldenen Trophäen, die es beim „MGI Talent Award“ zu gewinnen gibt, erinnern an das große Vorbild, die Oscar-Verleihung, auch die Stimmung muss sich dahinter nicht verstecken. Der
Unterschied: Anders als im fernen L. A. gibt es weder eine gestammelte Dankes-Rede an Mama und Papa mit Pseudo-Tränen noch einen Aufruf zur Verbesserung der Welt, am MGI singen und spielen die
Schüler einfach nochmal ihren Sieger-Song – und lassen so die Musik sprechen!
Es geht nicht um Äußerlichkeiten
Denn allein darum scheint es an diesem Abend zu gehen: Hier spielt sich niemand in den Vordergrund, und das Publikum, das bei der Wahl neben der Jury ein 50-prozentiges Mitspracherecht hat,
urteilt nicht nach Äußerlichkeiten. Es gibt kein Tuscheln, keine abwertenden Kommentare – jede Künstlerin und jeder Künstler wird allein nach dem Können bewertet. Das ist gerade in Zeiten von
Instagram, wo der Schein mehr gilt als das Sein, wirklich bemerkenswert. Wer auf der Bühne ins Licht der Scheinwerfer tritt, der braucht viel Mut. Sie oder er gibt ein Stück von sich selbst
preis, zeigt sich seinen Schulkameraden ganz echt, ohne Filter oder doppelten Boden. Dafür braucht es die Geborgenheit der Gruppe und ein gutes Schulklima. Und nach dem Auftritt gibt’s eine
herzliche Umarmung von der besten Freundin.
Gerade die jüngeren Schüler der Klassen 5 bis 7, die sich in der Kategorie „Young Talents“ der Kritik stellen, tun dies mit einer bemerkenswerten Unbedarftheit. Mia Gasch aus der 6. Klasse ist
eine von ihnen. Schüchtern betritt die Schülerin die Bühne, greift fest das Mikrofon und legt los. Statt eines bekannten Hits hat sie sich einen Song des schottischen Indie-Folk-Sängers Lewis
Capaldi ausgesucht: schwer zu singen, traurig, melancholisch – und wunderbar anders. Beim Singen wächst Mia über sich, ihr Alter und die Schul-Aula hinaus. Die Zuhörer schauen sich erstaunt an:
Ist das wirklich das kleine Mädchen im dunkelroten Latz-Kleid? Der Sieg in ihrer Kategorie ist Mia sicher. Mit ihrer Stückauswahl hat sie etwas gewagt – und gewonnen. Lächelnd empfängt sie die
goldene Oscar-Figur, dann tritt sie schnell wieder in den Hintergrund. Aber den freundlichen Applaus ihrer 18 Mitbewerber wird sie noch lange in den Ohren haben.
Wobei – geht es auch nach Schulleiterin Dr. Rita Köhler sind an diesem Abend alle Teilnehmer Sieger. „Gewinner sind wir alle – die Zuschauer sowieso, aber auch alle, die auftreten“, meint sie.
„Es muss nicht jeder ein Sieger sein“. Dem stimmen die Jungs von „Safe by Sound“ zu. Sänger Kai Nötting und Gitarrist Felix Brückner haben vor zehn Jahren am MGI Abitur gemacht und sind
inzwischen mit ihrer Musik erfolgreich. Beim „Talent Award“ sitzen sie in der Experten-Jury und sorgen in den Pausen für die Musik. Felix Brückner ist begeistert vom Niveau des Wettbewerbs und
rät: „Hört damit nicht auf! Bleibt dran, das ist richtig gut.“ So wie die Leistung von Pianistin Minori-Sophie Ebmeyer, die souverän den Titel in der Kategorie „Junior Talents“ holt und sich
gegen den zweitplatzierten Jan Ossenkop durchsetzt. Überhaupt die Jungen. Wo sind sie? Beim Wettbewerb sind die Künstlerinnen nicht nur numerisch in der Überzahl, sie holen auch die Siege in
allen drei Kategorien. Also Jungs, traut Euch!
Für Abwechslung sorgt die Präsentation der Schülerfirma „Waldstadt Values“. Die Schülerinnen und Schüler des Q 2 Projektkurs Englisch haben ihre Ideen in eine eigene Firma eingebracht und
verkaufen nachhaltige Handy-Halterungen aus Holz und ein Schuhputz-Gel mit dem Namen „MGI Sneaker Deluxe“. Eine tolle Idee: Nah am Zeitgeist und wirklich praktisch.
Auch Eigenkompositionen werden präsentiert
Den Höhepunkt des Abends bilden die Auftritte der ältesten Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Kategorie „Senior Talents“. Hier gibt es auch zwei Eigenkompositionen elektronischer Musik zu
hören, die die Schüler Moritz Meyer und Tobias Fuchs im Musikunterricht produziert haben. Die Auswahl der anderen Wettbewerbsbeiträge reicht von Chopins „Prelude“ mit Silas Bretzing bis zu
Christina Aguileras „Something’s got a hold on me“, gesungen von Marlene Tiemann. Den Sieg holt an diesem Abend Clara Karacic mit ihrer Version des Lady Gaga-Hits „Always remember us this way“.
Clara singt nicht nur schön, sondern auch mit besonders viel Gefühl – das findet auch die Jury aus Experten und allen Zuhörern, die mit ihren Kreuzen auf den Stimmzetteln für die Schülerin der Q1
stimmt und so für den tollen Abschluss eines Abends voller Musik und Lebensfreude sorgt.